„Identity, please!“ („Identifikation, bitte!“) Reisepässe wurden dem mürrisch dreinblickenden Grenzkontrolleur, der bewaffnet und in schusssicherer Weste vor uns saß, mit einem nervösen, kribbeligen Bauchgefühl über den Tresen gereicht. Der Blick wanderte über Roberts Pass, prüfend wurde Bild mit gegenüberstehender Person verglichen, der Name in den Computer eingegeben. Fünf Minuten vergingen. Dann folgte die gleiche Prozedur mit Sabrinas Pass.
“Have you been to the US before?” (“Ward ihr vorher schon mal in den USA?“). Vor einem Monat sind wir in Alaska eingereist, Sabrina war 2008 schon mal in den USA - so lautete unsere Antwort. Der Visumsstempel wurde gefunden und ein zufriedenes Nicken des Beamten erfolgte.
„How long are you planning to stay in the states?“ (Wie lange plant ihr, in den USA zu bleiben?). Wir wollen weitere drei bis vier Monate an der Westküste entlang bis Mexiko mit dem Fahrrad reisen.
„Where are you staying?“ („Wo übernachtet ihr?“) Die meisten Nächte werden wir auf den staatlichen Campingplätzen (State Parks) verbringen, ab und zu vielleicht auch mal in einer Unterkunft schlafen. Nicht mehr verraten, als gefragt wird – so lautete der Tipp von Einheimischen, den wir während des Interviews stetig im Kopf hatten. Die Aufregung, eine Wortwahl zu treffen, die uns ein langes Interview mit den Beamten bescheren würde, stieg durch die eisig wirkende Stimmung in der Grenzkontrolle. Dieser Grenzübergang solle laut Erzählungen anderer Reisender und Einheimischer sehr streng sein und die Einreise nicht immer ohne Probleme verlaufen.„Do you have fruits, vegetables, meat, fish or other fresh food with you?” (Habt ihr Früchte, Gemüse, Fleisch, Fisch oder andere frische Lebensmittel bei euch?“ Nein, außer zwei Äpfel haben wir nichts weiter dabei. „Ok, maybe the Officer outside will let you pass with your apples.” (Vielleicht lässt euch der Beamte draußen mit den Äpfeln passieren.“) Er reichte uns die Pässe, wir waren durch, ohne langes Interview, ohne erneut die Finger einzuscannen. Erleichtert, zurück in die USA reisen zu können, stapften wir aus dem Gebäude und passierten die Grenze nach Washington State, mit den Äpfeln.
Hinter der Grenze wartete ein erfreuliches Widersehen mit Ria und Oli, den deutschen Radreisenden, die wir auf der Fähre nach Haines kennengelernt haben, auf uns. Ein weiterer Radreisender aus Japan, Shin (er hat eine Gitarre auf dem Rücken und spielte Robert an seinem Geburtstag sogar ein Ständchen), schloss sich unserem kleinen Reisetrupp für ein paar Tage an. Mit Ria und Oli verbrachten wir die kommenden Kilometer durch Washington und Oregon und teilten viele wundervolle Impressionen. Jeder in seinem eigenen Tempo reisend, trafen wir uns abends stets am Campingplatz und verbrachten Abend und Morgen in einer gemütlichen Runde miteinander.
Immer der Route 101 folgend, ging es Richtung Süden. Die beliebte und stark befahrene Küstenstraße schlängelt, sich teils flach gelegen, nur zwei Meter vom Ozean entfernt, meistens aber der rauen, hügeligen Steilküste angepasst, entlang der Pazifikküste des Westens. Sie gibt den Blick frei auf malerisch wirkende Landschaften – mystische Wetlands; gigantische Felsbrocken, an denen sich die hohen Wellen brechen; senkrecht aus dem Wasser ragende Steilküsten; einsame, kilometerlange Sandstrände und weite, wüstenartige Sanddünen. Fantastisch! Wir hatten uns schon in Deutschland gegen das Inland mit dem Yellow Stone National Park sowie dem Grand Canyon und für die Westküste entschieden, da wir aufgrund der doch recht späten Reisezeit an der Küste mildere Temperaturen zu erwarten haben. Auch die Amerikaner legten uns die Küste wärmstens ans Herz: „it´s beautiful“, „just amazing“, „fascinating“ (so schön, einfach bezaubernd, faszinierend)! So nahmen wir sie auch wahr.
Immer der Route 101 folgend, ging es Richtung Süden. Die beliebte und stark befahrene Küstenstraße schlängelt, sich teils flach gelegen, nur zwei Meter vom Ozean entfernt, meistens aber der rauen, hügeligen Steilküste angepasst, entlang der Pazifikküste des Westens. Sie gibt den Blick frei auf malerisch wirkende Landschaften – mystische Wetlands; gigantische Felsbrocken, an denen sich die hohen Wellen brechen; senkrecht aus dem Wasser ragende Steilküsten; einsame, kilometerlange Sandstrände und weite, wüstenartige Sanddünen. Fantastisch! Wir hatten uns schon in Deutschland gegen das Inland mit dem Yellow Stone National Park sowie dem Grand Canyon und für die Westküste entschieden, da wir aufgrund der doch recht späten Reisezeit an der Küste mildere Temperaturen zu erwarten haben. Auch die Amerikaner legten uns die Küste wärmstens ans Herz: „it´s beautiful“, „just amazing“, „fascinating“ (so schön, einfach bezaubernd, faszinierend)! So nahmen wir sie auch wahr.
Die ersten beiden Wochen in Washington waren jedoch auch geprägt durch ein kühles Nass, das im Wechsel vom Himmel tröpfelte, in Strömen fiel oder in platzregenartigen Schauern über viele Stunden herabkam.
Zwar waren wir an den Regen mittlerweile gewöhnt, aber wenn man sich vorstellt, ein Zelt unter einer vollaufgedrehten Dusche aufbauen zu müssen, die auch nachts voll durchläuft, bekommt man eine Ahnung, wie wir uns in einer besonders wasserreichen Nacht fühlten. In unruhigen Schlaf versetzt, ständig in der Angst, dass das Zelt diesen Wetterbedingungen nicht mehr standhalten kann und unsere Schlafsäcke, Kleidung und Schuhe -die einzige Sicherheit gegen die Nasskälte- nicht nur klamm, sondern auch tropfnass sein könnten, beteten wir den Beginn des neuen Tages herbei. Das Wetter zerrt an den Nerven, vor allem wenn von den Einheimischen berichtet wird, dass sie einen sehr trockenen Sommer hatten, dies der erste Regen seit einiger Zeit ist und wir nur zwei Tage zu spät dran wären. Aber auch dies hat ein Gutes, wir lernen die Sonne gar mehr als in Deutschland zu schätzen ;-) und es könnte auch immer noch schlimmer sein, schließlich gab es noch keinen Sturm und kein Gewitter. Außerdem können wir uns wohl kaum beklagen, denn wenn man als Reiseroute im beginnenden Herbst eine der regenreichsten Regionen der USA wählt, muss man wohl auch damit rechnen, nicht nur das kräftige Grün der zahlreichen Pflanzen im Regenwald genießen zu können, sondern auch die Ursache für das viele Leben hier hautnah zu erleben. Die Regenwälder haben einen Charme, der die Umstände leicht vergessen lässt. Von Moosen überzogenen Bäume, verflochten mit grünen leuchtenden Büschen und Farnen, neben uralten Nadelbäumen, die hoch in den Himmel emporragen.
Und irgendwann fand auch der Regen ein Ende :-). Mit Washington State ließen wir auch prompt das ungemütliche Wetter hinter uns. Morgens noch im dichten, sehr tief liegenden Nebel startend, bannte sich schließlich die Sonne ihren Weg und symbolisch kamen kurz vor Oregon die ersten Sonnenstrahlen hindurch. Oregon erreichten wir über eine vier Meilen lange (ca. sechs km) Seebrücke, die in die älteste Stadt des Staates nach Astoria führte. Die Brücke zu überqueren, war ein einziges Erlebnis. Umgeben vom Meer sahen wir springende Fische, Pelikane, Fischreiher und Möwen vor der in grün schimmernden Küste. Viele kleine Motorboote mit Fischern und riesige Containerschiffe vor den Stadtumrissen bildeten einen Kontrast zu der natürlichen Umgebung. Sonst eher knapp über dem Meeresspiegel verlaufend, wartete am Ende ein steil ansteigender Verlauf der Brücke auf uns. Kurz vor der Stadt war die Brücke so hoch erbaut worden, damit Containerschiffe den Hafen erreichen können, ohne dass die Brücke hochgeklappt werden muss. Wir standen in einem kleinen Wettkampf mit einem Containerschiff, das unter der Brücke hindurch auf den Hafen zu steuerte. Wer würde als erster die Brücke passieren, wir oder das Schiff? Wir traten in die Pedale, angespornt von den warmen, lang ersehnten Sonnenstrahlen, kam Roberts Bundesliga Jagdinstinkt hervor. Eine Baustelle zwang uns jedoch mitten im Anstieg zu einer Verschnaufpause - wir verloren. Dafür konnten wir aber noch mal den schönen Blick auf die Wasserpassage und Küste genießen.
An diesem Abend wollten wir mit Oli und Ria zum ersten Mal wildcampen, was hier in den Staaten toleriert wird. Es stellte sich aber ausgerechnet in dieser Region als nicht ganz so einfach heraus. Cannon Beach, eine Art Sylt der Westküste, war ein teures Pflaster und bot keinerlei Möglichkeit zum Wildcampen. Die regulären Campingplätze verlangten vierfach so viel wie ansonsten die State Parks. Es war schon später Nachmittag, wir vier hungrig und unmotiviert, noch zum nächsten, 20km entfernt liegenden State Park zu fahren (die Strecke barg noch so einige Höhenmeter). Geschlagene 1,5 Stunden verbrachten wir mit Suchen, der Nachfrage bei Anwohnern und Polizisten, wo man stehen könnte und Auskundschaften der Campingplätze, ehe wir uns entschieden den weiteren Weg anzutreten. Wir fuhren weiter und weiter, aber es kam einfach kein geeigneter Platz. Die Dämmerung brach an. Wir beschlossen, zunächst an einer Raststätte, mit Blick auf das Meer und den Sonnenuntergang, unsere nassen Zelte schnell noch in den letzten Sonnenstrahlen zu trocknen und Abendessen zu kochen. Anschließend wollten wir im Dunkeln weiterfahren. Es lag noch ein 160m Pass vor uns. Frisch gestärkt, Warnwesten und reflektierende Kleidung tragend, helles Blinklicht angeschaltet, machte sich unsere Kolonne auf die letzten Kilometer. Wir vermeiden es eigentlich, in der Dunkelheit zu fahren. Zum einen ist es kein angenehmes Fahren, man verpasst die umliegende Landschaft, zum anderen ist es auch nicht ganz ungefährlich, vor allem an einem Samstagabend. Schließlich erreichten wir unser Ziel. Zumindest hatten wir es laut dem Fahrradnavigationsgerät und der Karte erreicht. Es erwartete uns jedoch nur eine Baustelle. Den besagten Oswald West State Park mit Campingmöglichkeit gab es wohl nicht mehr. Bisher waren stets alle State Parks dort, wo sie auch auf der Karte eingezeichnet waren und ausgerechnet, dieser war nicht mehr dort. Es war 21:30 Uhr, müde, kaputt und in Dunkelheit entschieden wir, auf einen 100m entfernten Parkplatz mit Toiletten unser Zelt aufzuschlagen. So fanden wir schließlich ein Plätzchen zum Schlafen - was ein Abenteuer. Am kommenden Morgen wurden wir allerdings belohnt. Der Parkplatz lag an einem kurzen Wanderweg, der durch den umliegenden Regenwald zu einer Bucht führte, in der wir beim Frühstück die ersten Sonnenstrahlen und die Ruhe des Morgens am Meer genießen und Surfern zuschauen konnten. Das Wildcampen in anderen Regionen Amerikas soll deutlich unkomplizierter sein, wir werden sehen.
In den nächsten Tagen hatte Oregon nicht nur viel Sonne zu bieten. Wir badeten zum ersten Mal im rauen Pazifik, spazierten an einsamen Sandstränden, schlenderten durch bis zu 60m hohe Sanddünen, wanderten auf den 600m hohen Humbug Mountain, durchquerten wilde Passagen des Regenwaldes, bewunderten den westlichsten Punkt der USA (abgesehen von Alaska), beobachteten leuchtende Sonnenuntergänge, erklommen Capes, die traumhafte Ausblicke boten und fuhren im stetigen Auf und Ab der Küste direkt am Ozean. Wir beobachteten Wale, Robben, tief über dem Wasser gleitende Seeadler und Möwen, lauernde Fischreiher, Pelikane und lauschten dem Konzert von jaulenden Seelöwen. Nicht zu vergessen sind die zahlreichen, uns mit Tannenzapfen bewerfenden Eichhörnchen sowie Hasen und Füchse, unserem Essen auflauernde Waschbären, freche blau strahlende Vögel und eine riesige Herde mit knapp 30 Hirschen und Rehen.
Die Eindrücke in Oregon sind ebenso zahlreich wie faszinierend. Nun liegt Kalifornien vor uns. In ca. zwei Wochen (Ende Oktober) planen wir, San Francisco zu erreichen. Ob sich dieser Zeitplan bewährt, hängt an der Regenerationszeit von Sabrinas Sprunggelenk, das bei einer Wanderung leider unter einem kurzen Schwächeanfall litt und umknickte. Zu lange saßen wir nur auf dem Rad, so dass die natürliche Laufbewegung nicht mehr ganz so rund von statten geht ;-).
Die Eindrücke in Oregon sind ebenso zahlreich wie faszinierend. Nun liegt Kalifornien vor uns. In ca. zwei Wochen (Ende Oktober) planen wir, San Francisco zu erreichen. Ob sich dieser Zeitplan bewährt, hängt an der Regenerationszeit von Sabrinas Sprunggelenk, das bei einer Wanderung leider unter einem kurzen Schwächeanfall litt und umknickte. Zu lange saßen wir nur auf dem Rad, so dass die natürliche Laufbewegung nicht mehr ganz so rund von statten geht ;-).