Alaska - unendliche Weite und Natur
Unendliche Weite und Natur, die schier unbegrenzt scheint- Berge bis zum Horizont, Nadelbäume vom Tal bis auf die Bergspitze, Wasser in etlichen Seen, Sümpfen und Flüssen. Jeder Blick streift die Wildnis Alaskas. Es ist kaum fassbar, wie unberührt dieses Land ist. Ähnlich wie die Natur, so ist auch das Wetter gewaltig. Ständige Wetterumschwünge machten uns den Start unserer Reise nicht einfach. Es war und ist herausfordernd für Körper und Seele.
Nach einem beeindruckenden Flug über Grönland und Alaska mit Sicht auf den Mt. McKinley, mit 6194m der höchste Berg Nordamerikas, durchliefen wir ohne Probleme die amerikanische Passkontrolle und erhielten unser Visum. Es ermöglicht uns einen Aufenthalt für sechs Monate in den USA. Sehr wahrscheinlich werden wir den gesamten Zeitraum ausnutzen, denn wir befinden uns offiziell ab Alaska in den USA, Kanada gilt aufgrund eines Abkommens mit Amerika nicht als Ausreise, ebenso wenig wie Mexiko, so dass wir in den sechs Monaten Mexiko durchquert haben müssen.
Voller Freude über die bereits gesammelten Impressionen aus der Höhe, dem Visum und allen unversehrt angekommenen Gepäckstücken verließen wir den Flughafen und erhielten den ersten Blick auf die Stadt Anchorage. Es kam uns Regen, Nässe und Kälte entgegen, was uns auch in den folgenden Tagen treu begleiten sollte. Am Flughafen bauten wir das Tandem zusammen, verstauten die Ausrüstung in den Fahrradtaschen und begannen unsere erste Fahrt auf alaskanischem Boden in Regenbekleidung. Doch es machte uns zu dem Zeitpunkt kaum etwas aus, da wir schon über 27 Stunden auf den Beinen waren und over the point ;). Müdigkeit und Hunger machten sich breit, aber auch Vorfreude und Wohlwollen färbten die Gefühlslage. In der ersten Nacht blieben wir in einem Hostel, dem Arctic Adventure Hostel, und erholten uns durch ausreichend Schlaf. Am kommenden Tag bestimmten das Erkunden von Anchorage mit dem Tandem, das symbolische Aufhängen eines Schlosses an einer Brücke, das Zuschauen beim Fliegenfischen der Angler sowie das Einkaufen für die nächsten zwei Wochen unseren Tagesablauf, natürlich in voller Regenmontur. Beim Einkaufen waren wir etwas überfordert. Der Supermarkt war riesig, wies eine bombastische Produktpalette auf, oftmals allerdings nur in Übergrößen, die für uns kaum transportabel sind. Die Preise sind sehr hoch, was uns die Auswahl an beständigen Lebensmittel erschwerte, die Anforderungen wie gut transportabel, länger haltbar, nährreich (sowohl viele Kohlenhydrate als auch Proteine) und ausschließlich mit Wasser zubereitbar, erfüllen mussten.
Wir schafften es am frühen Abend, Anchorage entlang des Glenn Highways zu verlassen und uns an einen wunderschönen öffentlichen Campground, 27 km östlich von Anchorage, niederzulassen. In Alaska gibt es öffentliche/ staatliche Zeltplätze, die meistens über eine Toilette, offene Feuerstelle, Wasserquelle und Stellplätze verfügen. Die Kosten belaufen sich pro Nacht auf ca. 15-20$. Direkt am Fluss lag der Eagle River Campground (CG) und bot uns Unterkunft für die Nacht. Es campierten viele Reisende dort, daher mussten wir uns noch nicht so viele Sorgen um Bären machen. Trotzdem hielten wir uns an die Bärenregeln: Kochen weit weg vom Zelt, kein Müll offen herumliegen lassen, keine Lebensmittel im Zelt verstauen, sondern am besten in Bäume hängen oder in luftverschlossenen Behältern 100m vom Zelt entfernt lagern. Auch die Kleidung, mit der gekocht wurde, muss luftdicht verpackt werden oder eben weit weg vom Camp gelagert werden. Zusätzlich bot uns Bärensprey im Falle eines Angriffs Schutz.
Die erste Nacht im Freien war aufregend, eben wegen der Bären. Sabrina eher unruhig, Robert eher gespannt, starteten wir sehr früh um 6 Uhr in den nächsten Tag. Die erste richtige Radtour stand uns bevor. Entlang des Old Glenn Highways und später entlang des zweispurigen Glenn Highways, neben zahlreichen Trucks auf dem Seitenstreifen fahrend, ließen wir Anchorage immer weiter hinter uns und näherten uns der nächsten Stadt Palmer bis zum Mt. King Campground. Dieser lag 110km entfernt. Für den ersten Tag war es eine lange, harte Tour, die unserer Verpeiltheit der ersten Tage geschuldet war. In aller Aufregung haben wir in Anchorage vergessen, die Touristeninformation aufzusuchen und nach den nächsten CG für die kommenden Nächte zu fragen. Seither planen wir die weiteren Touren nun immer von CG zu CG mit Distanz, Höhenmetern und Höhenprofil. Die meisten Tagesetappen umfassen ca. 100 km, da wir zu Beginn der Reise wegen des Wetters etwas in Eile sind. Der Herbst kehrt ein, wie man unverkennbar an dem unbeständigen Wetter, der Kälte, den sich bereits färbenden Blättern und den Aussagen der Einheimischen erkennen kann. Trotz des engen Zeitplanes legen wir mindestens nach jedem dritten Belastungstag einen Ruhetag ein, um unserem Körper ausreichend Regeneration zu bieten. Dies zeigt sich auch als dringend notwendig, denn schon nach der ersten Tour plagten Robert Knieschmerzen. Diese haben wir mittlerweile durch ein außerordentliches Dehn-, Blackroll- und Massageprogramm in den Griff bekommen. Nach nun nicht einmal zwei Wochen beginnt Roberts Schienbein, uns zu ärgern. Ein Attribut etlicher, langer Touren und Roberts ungebrochenen Kampfgeist, den Bergen und dem Wind ständig mit voller Kraft zu begegnen. Nun aber erst mal mehr zu den ersten Touren durch Alaska.
Die zweite Tour begann bei 6°C und bedecktem Himmel, die Regensachen schon parat gelegt. Diese Tour wurde mit einem einzigartigen Blick auf den Matanuska Gletscher belohnt. Es war allerdings auch harte Arbeit, so weit zu kommen. Es regnete, war kalt, wir hatten 1500 Höhenmeter zu absolvieren mit einem 200kg beladenen Tandem, das uns eher die Berge herunterzieht als uns trotz immenser Strampelei sicher hinaufbringt. Nach einem Speichenbruch beschlossen wir, den Bergen und unserer Erschöpfung zu trotzen und unseren Weg, wie geplant, weiter bis zum Eureka Roadhouse fortzuführen. Dieser Tag wird uns noch lange in Erinnerung bleiben. Sowohl die einschneidende Etappe, die einen reinen Kampf sowohl körperlich als auch mental darstellte, als auch der Abend, nachdem wir um 19 Uhr ausgehungert am Ziel ankamen. Es war nicht möglich, dort zu campieren, da nur Stellplätze für Wohnwagen bereit standen und die Zimmer waren mit 115$ nicht erschwinglich für unser eins. Man empfahl uns, zwei Meilen weiter in mitten der Natur unser Camp aufzuschlagen. Bei uns ging aber einfach nichts mehr. Völlig ausgepowert beschlossen wir, uns einen warmen Kaffee und Kuchen zu gönnen, um uns für die letzten Meilen aufzupäppeln. Dann geschah etwas Überwältigendes. Ein Ehepaar hatte unsere Situation erfasst und bot an, uns ein Zimmer für die Nacht zu spendieren. Wir waren sprachlos und wussten nicht, ob wir dieses Angebot annehmen konnten. Es gilt hier jedoch als unhöflich, abzulehnen. In diesem Moment waren wir außerdem sehr dankbar und unbeschreiblich glücklich über eine heiße Dusche, einen trockenen Raum, um unsere nassen Sachen zu trocknen und ein Bett mit Dach über dem Kopf, so dass wir nicht der Kälte ausgeliefert waren. Es war ein wunderbarer Abend nach solch einem Höhenmeterkampf mit vielen Steigungen, einige davon über 10km Länge und teils mit 11,5% Neigung.
Am kommenden Morgen, in 1100m Höhe, herrschten 3°C. Warm eingemummelt und mit frischer Motivation machten wir uns auf den Weg nach Glennallen, entlang der Berge und Flüsse. Die Flussbette sind hier sehr breit, zu dieser Jahreszeit jedoch fast ausgetrocknet. Im Mai, zum Beginn der Schneeschmelze, sollen diese riesigen Flüsse mit Schmelzwasser gefüllt sein, es muss sehr beeindruckend sein. Aber auch jetzt sind einige Bergspitzen noch schneebedeckt. Die Highways ziehen sich permanent parallel zu den Bergketten, die oftmals mit Nadelbäumen übersät sind.
In Glennallen trafen wir auf Donnie, einen amerikanischen, 60- jährigen Radreisenden, der von Anchorage nach San Diego fahren möchte. Es war schön, sich auszutauschen und ein wenig Zeit miteinander zu verbringen.
Die nächsten beiden Tage waren geprägt durch Dauerregen, den wir zunächst an unserem wohlverdienten Ruhetag im Zelt ausharrten. Durch den Regen ließen wir uns am späteren Nachmittag nicht mehr beirren und gingen zum ersten Mal Fischen, natürlich in voller Regenmontur, unserem wichtigsten Equipment neben Zelt und Benzinkocher.
Mit Glennallen verließen wir dann am nächsten Tag auch den Glenn Highway. Die nächsten beiden Etappen bestritten wir zusammen mit Donnie, jedoch nicht permanent zusammen fahrend, da das Tempo doch recht unterschiedlich war. Während Donnie die Berge nur so hoch tänzelte, blieb uns nur das Bild seines Rückens, der sich immer weiter entfernte, während wir den Berg mühselig hochkrabbelten. Die Pausen und Abenden verbrachten wir dann gemeinsam. Nach einer schönen, aber langen 125km-Etappe in 6:40 Std reiner Fahrtzeit (exkl. Pausen) wurden wir auf den letzten 3km noch mit einem sinnflutartigen Regenschauer überrascht. Alaska zeigte sich wieder in ganzer Pracht von der unberechenbaren Seite. Der Respekt vor der Naturgewalt steigt mit jedem Tag und Erlebnis. Man ist im Vergleich zu der Natur so winzig und ihr schutzlos ausgeliefert.
Nahezu unterkühlt und ausgelaugt erreichten wir den Campground für die Nacht. Donnie ging es nicht gut, da musste als erste Hilfemaßnahme eine heiße Schoki und Spaghetti mit Tomatensoße herhalten. Robert, der nach solch einem Tag immer noch voller Tatendrang und Energie strotze, bereitete das Mahl direkt vor dem Toilettenhäuschen liebevoll zu, denn dies war die einzige Überdachung. Auch dieser Abend nahm ein unvergessliches Ende. Ein Paar aus Idaho erreichte kurz nach uns den CG mit einem Transporter, den sie eigens in einen gemütlichen Campervan umgebaut haben. Mark und Erika versorgten uns mit warmen Getränken, Brot, Energieriegeln für den nächsten Tag und mit Budweiser. Eine unglaubliche Wohltat! Wir waren auch von/für deren Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft überwältigt und dankbar. Damit nicht genug, nach einer eiskalten, nassen Nacht verwöhnten sie uns mit einem mexikanischen Frühstück a la Tortillas mit Kidneybohnen, grüner Chilisoße und Spiegeleiern, überbacken mit Käse. Es war ein Festschmaus!
Mit gewonnener Kraft konnte der neue Tag beginnen. Es ging 98km entlang des Tok cut off Highways, ein ruhiger, sehr schöner und sich in einem guten Zustand befindender Highway nach Tok, das nächst gelegene Örtchen. Nächst gelegen bedeutet in diesem Fall über 220km entfernt, wobei diese Distanz noch als nahe anzusehen ist, zumindest im Vergleich zu der Besiedlungsdichte des Yukons in Kanada.
Nach Tok waren es nur noch 1,5 Tagesetappen bis zur kanadischen Grenze. Unsere letzte Nacht in Alaska verbrachten wir im Tetlin National Wildlife Refuge am Deadman Lake Campground. Der See war wunderschön. Da wir gute Bedingungen hatten, meisterten wir die 102km in nur 4:55 Stunden reiner Fahrtzeit und konnten einen sonnigen Nachmittag in Ruhe genießen und Fischen gehen. Die bisherigen Tagesabläufe waren meist nur bestimmt durch Aufstehen, Zelt abbauen, Taschen packen, Tandem vorbereiten, Luftstand der Reifen kontrollieren, Frühstück zubereiten, Abwasch, aufs Radl für 5-9 Stunden mit ein bis zwei kleinen Pausen und oftmals mit einer größeren Mittagspause, Ankunft am CG, Zelt und Bett aufbauen, Taschen regensicher verpacken, Abendessen zubereiten und genießen (oder vor Hunger hineinschlingen), Abwasch, Dehnen, ab und zu mal Stabilisationstraining, Massage für Roberts Knie und dann hundemüde in den Schlafsack mummeln. Zeit und Kraft für Tagebuch schreiben, lesen oder Spanisch lernen etc. blieb bisher kaum. Das ist den langen Touren geschuldet. Bis Vancouver müssen wir noch durchpowern, dann können wir die Trips kürzer und mit mehr Zeitfenster planen. Bis dahin heißt es, sich durchzubeißen oder einige Planänderungen vornehmen.
Die Landschaft veränderte sich kaum in dem Teil Alaskas, den wir durchquerten, ist jedoch sehr faszinierend, kein Vergleich zum dichtbesiedelten Europa. Sie ist geprägt von Natur: den Bergen, den Wetlands und Nadelbäumen, die aufgrund der klimatischen Bedingungen kaum die Breite eines Beins erlangen und nicht höher als ca. 2m wachsen. Tierische Gesellschaft hatten wir bisher von zwei Kojoten, Bibern, vielen frechen Eichhörnchen und Vögeln sowie einer Elchmutter und ihrem Kind. Noch keine Bären, toi toi toi!
Wir sind gespannt auf Yukon!
Nach einem beeindruckenden Flug über Grönland und Alaska mit Sicht auf den Mt. McKinley, mit 6194m der höchste Berg Nordamerikas, durchliefen wir ohne Probleme die amerikanische Passkontrolle und erhielten unser Visum. Es ermöglicht uns einen Aufenthalt für sechs Monate in den USA. Sehr wahrscheinlich werden wir den gesamten Zeitraum ausnutzen, denn wir befinden uns offiziell ab Alaska in den USA, Kanada gilt aufgrund eines Abkommens mit Amerika nicht als Ausreise, ebenso wenig wie Mexiko, so dass wir in den sechs Monaten Mexiko durchquert haben müssen.
Voller Freude über die bereits gesammelten Impressionen aus der Höhe, dem Visum und allen unversehrt angekommenen Gepäckstücken verließen wir den Flughafen und erhielten den ersten Blick auf die Stadt Anchorage. Es kam uns Regen, Nässe und Kälte entgegen, was uns auch in den folgenden Tagen treu begleiten sollte. Am Flughafen bauten wir das Tandem zusammen, verstauten die Ausrüstung in den Fahrradtaschen und begannen unsere erste Fahrt auf alaskanischem Boden in Regenbekleidung. Doch es machte uns zu dem Zeitpunkt kaum etwas aus, da wir schon über 27 Stunden auf den Beinen waren und over the point ;). Müdigkeit und Hunger machten sich breit, aber auch Vorfreude und Wohlwollen färbten die Gefühlslage. In der ersten Nacht blieben wir in einem Hostel, dem Arctic Adventure Hostel, und erholten uns durch ausreichend Schlaf. Am kommenden Tag bestimmten das Erkunden von Anchorage mit dem Tandem, das symbolische Aufhängen eines Schlosses an einer Brücke, das Zuschauen beim Fliegenfischen der Angler sowie das Einkaufen für die nächsten zwei Wochen unseren Tagesablauf, natürlich in voller Regenmontur. Beim Einkaufen waren wir etwas überfordert. Der Supermarkt war riesig, wies eine bombastische Produktpalette auf, oftmals allerdings nur in Übergrößen, die für uns kaum transportabel sind. Die Preise sind sehr hoch, was uns die Auswahl an beständigen Lebensmittel erschwerte, die Anforderungen wie gut transportabel, länger haltbar, nährreich (sowohl viele Kohlenhydrate als auch Proteine) und ausschließlich mit Wasser zubereitbar, erfüllen mussten.
Wir schafften es am frühen Abend, Anchorage entlang des Glenn Highways zu verlassen und uns an einen wunderschönen öffentlichen Campground, 27 km östlich von Anchorage, niederzulassen. In Alaska gibt es öffentliche/ staatliche Zeltplätze, die meistens über eine Toilette, offene Feuerstelle, Wasserquelle und Stellplätze verfügen. Die Kosten belaufen sich pro Nacht auf ca. 15-20$. Direkt am Fluss lag der Eagle River Campground (CG) und bot uns Unterkunft für die Nacht. Es campierten viele Reisende dort, daher mussten wir uns noch nicht so viele Sorgen um Bären machen. Trotzdem hielten wir uns an die Bärenregeln: Kochen weit weg vom Zelt, kein Müll offen herumliegen lassen, keine Lebensmittel im Zelt verstauen, sondern am besten in Bäume hängen oder in luftverschlossenen Behältern 100m vom Zelt entfernt lagern. Auch die Kleidung, mit der gekocht wurde, muss luftdicht verpackt werden oder eben weit weg vom Camp gelagert werden. Zusätzlich bot uns Bärensprey im Falle eines Angriffs Schutz.
Die erste Nacht im Freien war aufregend, eben wegen der Bären. Sabrina eher unruhig, Robert eher gespannt, starteten wir sehr früh um 6 Uhr in den nächsten Tag. Die erste richtige Radtour stand uns bevor. Entlang des Old Glenn Highways und später entlang des zweispurigen Glenn Highways, neben zahlreichen Trucks auf dem Seitenstreifen fahrend, ließen wir Anchorage immer weiter hinter uns und näherten uns der nächsten Stadt Palmer bis zum Mt. King Campground. Dieser lag 110km entfernt. Für den ersten Tag war es eine lange, harte Tour, die unserer Verpeiltheit der ersten Tage geschuldet war. In aller Aufregung haben wir in Anchorage vergessen, die Touristeninformation aufzusuchen und nach den nächsten CG für die kommenden Nächte zu fragen. Seither planen wir die weiteren Touren nun immer von CG zu CG mit Distanz, Höhenmetern und Höhenprofil. Die meisten Tagesetappen umfassen ca. 100 km, da wir zu Beginn der Reise wegen des Wetters etwas in Eile sind. Der Herbst kehrt ein, wie man unverkennbar an dem unbeständigen Wetter, der Kälte, den sich bereits färbenden Blättern und den Aussagen der Einheimischen erkennen kann. Trotz des engen Zeitplanes legen wir mindestens nach jedem dritten Belastungstag einen Ruhetag ein, um unserem Körper ausreichend Regeneration zu bieten. Dies zeigt sich auch als dringend notwendig, denn schon nach der ersten Tour plagten Robert Knieschmerzen. Diese haben wir mittlerweile durch ein außerordentliches Dehn-, Blackroll- und Massageprogramm in den Griff bekommen. Nach nun nicht einmal zwei Wochen beginnt Roberts Schienbein, uns zu ärgern. Ein Attribut etlicher, langer Touren und Roberts ungebrochenen Kampfgeist, den Bergen und dem Wind ständig mit voller Kraft zu begegnen. Nun aber erst mal mehr zu den ersten Touren durch Alaska.
Die zweite Tour begann bei 6°C und bedecktem Himmel, die Regensachen schon parat gelegt. Diese Tour wurde mit einem einzigartigen Blick auf den Matanuska Gletscher belohnt. Es war allerdings auch harte Arbeit, so weit zu kommen. Es regnete, war kalt, wir hatten 1500 Höhenmeter zu absolvieren mit einem 200kg beladenen Tandem, das uns eher die Berge herunterzieht als uns trotz immenser Strampelei sicher hinaufbringt. Nach einem Speichenbruch beschlossen wir, den Bergen und unserer Erschöpfung zu trotzen und unseren Weg, wie geplant, weiter bis zum Eureka Roadhouse fortzuführen. Dieser Tag wird uns noch lange in Erinnerung bleiben. Sowohl die einschneidende Etappe, die einen reinen Kampf sowohl körperlich als auch mental darstellte, als auch der Abend, nachdem wir um 19 Uhr ausgehungert am Ziel ankamen. Es war nicht möglich, dort zu campieren, da nur Stellplätze für Wohnwagen bereit standen und die Zimmer waren mit 115$ nicht erschwinglich für unser eins. Man empfahl uns, zwei Meilen weiter in mitten der Natur unser Camp aufzuschlagen. Bei uns ging aber einfach nichts mehr. Völlig ausgepowert beschlossen wir, uns einen warmen Kaffee und Kuchen zu gönnen, um uns für die letzten Meilen aufzupäppeln. Dann geschah etwas Überwältigendes. Ein Ehepaar hatte unsere Situation erfasst und bot an, uns ein Zimmer für die Nacht zu spendieren. Wir waren sprachlos und wussten nicht, ob wir dieses Angebot annehmen konnten. Es gilt hier jedoch als unhöflich, abzulehnen. In diesem Moment waren wir außerdem sehr dankbar und unbeschreiblich glücklich über eine heiße Dusche, einen trockenen Raum, um unsere nassen Sachen zu trocknen und ein Bett mit Dach über dem Kopf, so dass wir nicht der Kälte ausgeliefert waren. Es war ein wunderbarer Abend nach solch einem Höhenmeterkampf mit vielen Steigungen, einige davon über 10km Länge und teils mit 11,5% Neigung.
Am kommenden Morgen, in 1100m Höhe, herrschten 3°C. Warm eingemummelt und mit frischer Motivation machten wir uns auf den Weg nach Glennallen, entlang der Berge und Flüsse. Die Flussbette sind hier sehr breit, zu dieser Jahreszeit jedoch fast ausgetrocknet. Im Mai, zum Beginn der Schneeschmelze, sollen diese riesigen Flüsse mit Schmelzwasser gefüllt sein, es muss sehr beeindruckend sein. Aber auch jetzt sind einige Bergspitzen noch schneebedeckt. Die Highways ziehen sich permanent parallel zu den Bergketten, die oftmals mit Nadelbäumen übersät sind.
In Glennallen trafen wir auf Donnie, einen amerikanischen, 60- jährigen Radreisenden, der von Anchorage nach San Diego fahren möchte. Es war schön, sich auszutauschen und ein wenig Zeit miteinander zu verbringen.
Die nächsten beiden Tage waren geprägt durch Dauerregen, den wir zunächst an unserem wohlverdienten Ruhetag im Zelt ausharrten. Durch den Regen ließen wir uns am späteren Nachmittag nicht mehr beirren und gingen zum ersten Mal Fischen, natürlich in voller Regenmontur, unserem wichtigsten Equipment neben Zelt und Benzinkocher.
Mit Glennallen verließen wir dann am nächsten Tag auch den Glenn Highway. Die nächsten beiden Etappen bestritten wir zusammen mit Donnie, jedoch nicht permanent zusammen fahrend, da das Tempo doch recht unterschiedlich war. Während Donnie die Berge nur so hoch tänzelte, blieb uns nur das Bild seines Rückens, der sich immer weiter entfernte, während wir den Berg mühselig hochkrabbelten. Die Pausen und Abenden verbrachten wir dann gemeinsam. Nach einer schönen, aber langen 125km-Etappe in 6:40 Std reiner Fahrtzeit (exkl. Pausen) wurden wir auf den letzten 3km noch mit einem sinnflutartigen Regenschauer überrascht. Alaska zeigte sich wieder in ganzer Pracht von der unberechenbaren Seite. Der Respekt vor der Naturgewalt steigt mit jedem Tag und Erlebnis. Man ist im Vergleich zu der Natur so winzig und ihr schutzlos ausgeliefert.
Nahezu unterkühlt und ausgelaugt erreichten wir den Campground für die Nacht. Donnie ging es nicht gut, da musste als erste Hilfemaßnahme eine heiße Schoki und Spaghetti mit Tomatensoße herhalten. Robert, der nach solch einem Tag immer noch voller Tatendrang und Energie strotze, bereitete das Mahl direkt vor dem Toilettenhäuschen liebevoll zu, denn dies war die einzige Überdachung. Auch dieser Abend nahm ein unvergessliches Ende. Ein Paar aus Idaho erreichte kurz nach uns den CG mit einem Transporter, den sie eigens in einen gemütlichen Campervan umgebaut haben. Mark und Erika versorgten uns mit warmen Getränken, Brot, Energieriegeln für den nächsten Tag und mit Budweiser. Eine unglaubliche Wohltat! Wir waren auch von/für deren Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft überwältigt und dankbar. Damit nicht genug, nach einer eiskalten, nassen Nacht verwöhnten sie uns mit einem mexikanischen Frühstück a la Tortillas mit Kidneybohnen, grüner Chilisoße und Spiegeleiern, überbacken mit Käse. Es war ein Festschmaus!
Mit gewonnener Kraft konnte der neue Tag beginnen. Es ging 98km entlang des Tok cut off Highways, ein ruhiger, sehr schöner und sich in einem guten Zustand befindender Highway nach Tok, das nächst gelegene Örtchen. Nächst gelegen bedeutet in diesem Fall über 220km entfernt, wobei diese Distanz noch als nahe anzusehen ist, zumindest im Vergleich zu der Besiedlungsdichte des Yukons in Kanada.
Nach Tok waren es nur noch 1,5 Tagesetappen bis zur kanadischen Grenze. Unsere letzte Nacht in Alaska verbrachten wir im Tetlin National Wildlife Refuge am Deadman Lake Campground. Der See war wunderschön. Da wir gute Bedingungen hatten, meisterten wir die 102km in nur 4:55 Stunden reiner Fahrtzeit und konnten einen sonnigen Nachmittag in Ruhe genießen und Fischen gehen. Die bisherigen Tagesabläufe waren meist nur bestimmt durch Aufstehen, Zelt abbauen, Taschen packen, Tandem vorbereiten, Luftstand der Reifen kontrollieren, Frühstück zubereiten, Abwasch, aufs Radl für 5-9 Stunden mit ein bis zwei kleinen Pausen und oftmals mit einer größeren Mittagspause, Ankunft am CG, Zelt und Bett aufbauen, Taschen regensicher verpacken, Abendessen zubereiten und genießen (oder vor Hunger hineinschlingen), Abwasch, Dehnen, ab und zu mal Stabilisationstraining, Massage für Roberts Knie und dann hundemüde in den Schlafsack mummeln. Zeit und Kraft für Tagebuch schreiben, lesen oder Spanisch lernen etc. blieb bisher kaum. Das ist den langen Touren geschuldet. Bis Vancouver müssen wir noch durchpowern, dann können wir die Trips kürzer und mit mehr Zeitfenster planen. Bis dahin heißt es, sich durchzubeißen oder einige Planänderungen vornehmen.
Die Landschaft veränderte sich kaum in dem Teil Alaskas, den wir durchquerten, ist jedoch sehr faszinierend, kein Vergleich zum dichtbesiedelten Europa. Sie ist geprägt von Natur: den Bergen, den Wetlands und Nadelbäumen, die aufgrund der klimatischen Bedingungen kaum die Breite eines Beins erlangen und nicht höher als ca. 2m wachsen. Tierische Gesellschaft hatten wir bisher von zwei Kojoten, Bibern, vielen frechen Eichhörnchen und Vögeln sowie einer Elchmutter und ihrem Kind. Noch keine Bären, toi toi toi!
Wir sind gespannt auf Yukon!