Aprendemos una lengua nueva
Gute Gesellschaft, ein wunderschöner
Sandstrand in einer ruhigen Bucht, das türkise Meer bis fast zum Zelt heran
ragend, eine eigene Palapa – im Konträr wartet ein hoher Berg auf uns, den wir
von der Bucht aus seit unserer Ankunft beobachten. Schwer fiel uns der Abschied
vom Playa dos Cocos, an dem wir nun Weihnachten und Silvester zelebriert haben.
Trotzdem kribbeln unsere Füße, denn so viel Neues, Spannendes, Herausforderndes
und Schönes liegt noch vor uns. Wir stürzen uns zurück in den Radleralltag, der
uns aufgrund des akuten Muskelschwundes durch die sportliche Inaktivität der
vergangenen Tage sowie der kleinen Hypertrophie unserer Hüften, anfänglich
wieder mehr Kraft erfordert. Wir gewöhnen uns schnell an unseren Drahtesel, die
frische Brise, die uns nun wieder täglich um die Nase weht, den alltäglich
Rhythmus des Zeltab- und Aufbaues. Gemeinsam mit den beiden Österreichern Nici
und Phillip, die wir an der Küste Oregons kennengelernt und nun am Playa dos
Cocos wiedergetroffen haben, zielen wir unsere geplante Endstation Baja
Californias an – La Paz. Von dort wollen wir mit der Fähre zum Festland übersetzen,
das Hochland erklimmen und vielleicht das Stadtleben Mexico Citys stürmen.
Auf dem Weg nach La Paz begegnen wir nicht nur unserer ersten lebendigen Vogelspinne, die wir krabbelnd zwischen den mächtigen LKW-Reifen auf der Straße entdecken, den ersten Skorpionen, die sich gern in Handtüchern oder Feuerholz verstecken sowie armlangen Echsen, die im Hintergarten lauern, sondern verbringen zwei Nächte in dem trockenen Flussbett eines gigantischen Canyons. Die am Morgen folgende Wanderung hinauf in die Schlucht stellt sich dann als eine unserer schönsten bisherigen Wanderungen heraus. Immer weiter klettern wir das Flussbett hinauf, das sich aus kleinen, großen und riesigen Felsbrocken formt, bis wir einen fantastischen Ausblick auf die hinter uns liegende Bucht erhaschen. Hier oben genießen wir die Ruhe und Schönheit der Natur, denn das Gebiet ist touristisch noch unerschlossen - keine anderen Wanderer, keine plastisch gebauten Steinplattenwege, keine Parkplätze, Toiletten, Bänke und vor allem kein Müll. Kleinen Steinmännchen folgend, streifen wir etliche klare, mit frischem Bergwasser gefüllte Badegumpen, lassen die steilen Felswände zur Rechten und Linken an uns vorbeiziehen und saugen die Stille in uns ein. Auch unser Zeltplatz in der tiefen Schlucht des Canyons inmitten des trockenen Flussbettes weitab von allem Straßenlärm wird uns wohl immer als einer der schönsten Übernachtungsplätze in Erinnerung bleiben.
An diesem abgeschiedenen, idyllischen Flecken Erde treffen wir zufällig eine gebürtige Hamburgerin, die seit einigen Jahren in La Paz arbeitet. Diese Begegnung verändert unsere nächsten Wochen vehement. In uns schlummerte seit Beginn Mexikos, aber vor allem nach einem fantastischen, aber kommunikativ eher schweigsamen Reitausflug mit einem Mexikaner in die Sierra de la Giganta, der Wunsch, Spanisch zu sprechen. Es ist schade und unangenehm, nicht mit den Einheimischen sprechen zu können. Oft werden wir gefragt, was wir machen, wo wir herkommen, wo hin wollen, was uns auf diese ausgefallene Idee gebracht hat - und wir können all diese Fragen kaum beantworten. Wir haben das Gefühl, ohne miteinander kommunizieren zu können, die gleiche Sprache zu sprechen, viel von Land und Menschen zu verpassen. Es liegt nun an uns. Die vergangen sechs Monate wollten wir täglich fleißig Spanisch lernen. Aber tagsüber oder abends bleibt doch oft nicht so viel Zeit, wie erhofft. Der Tag vergeht schnell, der Abend dann wie im Flug. Unser „Arbeitsalltag“ ist das Radeln. Täglich sitzen wir mit kleinen Pausen gute 7-8 Std, meist von 8-16/17 Uhr auf dem Rad. Dann beginnt das Abendprogramm: Lagerplatz suchen, Lager aufbauen, Kochen, Abwaschen, Stabitraining, Dehnen, Reisetagebuch führen, Routenplanung, meistens breitet sich auch schon kurz nach dem Zeltaufbau die Dunkelheit aus und die Müdigkeit gewinnt die Oberhand. Nun ist es Zeit, in unseren Tagesablauf Spanisch als festes Ritual aufzunehmen. Dank Frida, der wir nun zufällig in mitten der Wildnis begegnet sind, die zufällig zwei leerstehende Zimmer in La Paz hat und die ihre Wohnung auch zufällig sogar für die Zeit eines Sprachkurses mit uns vier Radlern teilen würde, haben wir uns entschieden, diesem Wink des Schicksals zu folgen. In La Paz wird also endlich und intensiv Spanisch gelernt.
Einige kleine Bergerklimmungen und eine phänomenale Abfahrt in die Bucht um La Paz später, führte uns die Route 1 über einige kleine, stark schottrige Baustellen in die größte Stadt der Baja. Direkt am Meer in einer geschützten Bucht liegend, genießen wir nach langer Abstinenz das Stadtleben. Vor allem das Bedürfnis nach einer warmen Dusche ist mittlerweile sehr groß. In den vergangenen drei Wochen hatten wir uns weder am Playa dos Cocos noch auf den vielen Wildcampplätzen mit einer Dusche beglücken können und mussten auf die Katzenwäsche mit Waschlappen und Seife zurückgreifen – unser persönlicher Rekord.
So machen wir uns in La Paz als erstes, nach einer wohltuenden, warmen Dusche, auf die Suche nach einem Spanischlehrer. Die Sprachschule liegt bei weitem nicht in unserem Reisebudget, das sich aufgrund einer geraumen Anzahl kaputter Materialien der vergangenen Wochen wie Schlafmatten, Kocher und Zeltstangen etc. doch wieder recht minimiert hatte. Über Frida können wir jedoch einen Kontakt zu Jorge, einem mexikanischen Deutsch- und Englischlehrer, der aufgrund mehrerer Auslandsaufenthalte in unserer Heimat fließend Deutsch spricht, herstellen. Dieser hat auch wieder zufällig in den kommenden zwei Wochen Zeit und Lust, sich ausgiebig uns beiden, Nici und dem Spanischen zu widmen. Das glückliche Geflecht von Zufällen wird uns die gesamte Weiterreise erheblich erleichtern. Zudem ist uns die kognitive statt körperliche Herausforderung zur Abwechslung sehr willkommen. Während der drei Wochen Aufenthalt können wir uns aus den USA neue Schlafmatratzen bestellen, da wir in Mexiko zu unserem Bedauern keine hochwertigen Outdoormaterialien mehr bekommen. Das Warten auf Pakete, wie wir es nun gerade am Playa dos Cocos hinter uns hatten, nimmt also wieder seinen Lauf, ebenso wie das Laufen an sich. Ein erster Lauf zeigte uns, wie sehr sich die Lauf- von der Radbewegung unterscheidet. Zu Beginn der Reise sind wir mitten in der Triathlonsaison mehr oder weniger in Hochform auf das Tandem gestiegen, nun holt uns die Realität ein: kein spezifisches Training, keine Leistung. Enttäuscht, frustriert beenden wir unseren ersten Lauf nach nur 45Min in einer wohl eher dem Gehtempo ähnelnden Geschwindigkeit, obwohl doch Bewegung an sich unser „Arbeitsalltag“ ist. Die nächsten Wochen wird also fleißig trainiert – Laufen und Krafttraining stehen auf dem Plan. Das Schwimmen erfordert in hier leider ein Gesundheitszeugnis vom Arzt, so dass unsere Schwimmbrillen weiterhin verschlossen in den Packsäcken die Welt erkunden.
Neben dem Laufen, dem Ausreizen des Backofens und Herdes, dem Genießen der Dusche, dem täglichen, vierstündigen Spanischkurs sowie der Vor- und Nachbereitungszeit, erkunden wir zusammen mit Frida, Nici und Phillip La Paz und Umgebung. Es gib viel zu entdecken, vor allem rund um das Meer. Wunderschöne Sandstrände mit türkisem Wasser, Sandboarding in den umliegenden Sanddünen, ein spannendes Kitesurfevent und vor allem das Meeresleben machen unseren Aufenthalt im Süden der Peninsula unvergesslich. Heimisch sind hier die bis zu 8m langen, pflanzenfressenden Walhaie. Ein beeindruckendes Erlebnis, diese Kolosse zu beobachten. Mit einem kleinen Boot geht es früh morgens hinaus. Wir haben großes Glück: bei strahlendem Sonnenschein, blauen Himmel, ruhiger See und nahezu Windstille ist die Sicht klar und die Walhaie direkt am Boot. Anthrazitfarbend mit weißen Punkten gefleckt, ziehen die Meeresbewohner ihre Kreise um uns herum, denn der weiße Bug des Bootes ähnelt dem Bauch eines ihrer Artgenossen. Faszinierend aus der Nähe zu betrachten, dürfen wir sogar ins Wasser, um ihnen in einigem Abstand beim Schwimmen und Fressen zu zuschauen. Sie sind sehr kurzsichtig, lassen sich von uns nicht irritieren und so ändern sie gern auch mal abrupt ihre Schwimmrichtung. Wenn dann auf einmal ein großes, geöffnetes Maul direkt vor einem auftaucht, schlägt das Herz doch für einige Sekunden schneller als bei einem Zielsprint im Triathlon. Diesem einzigartigen Erlebnis folgt dann eine Woche später ein phänomenaler Tauchgang an der Insel Espirito Santo im Golf von Kalifornien. Verspielte Robben tollen um uns herum, knabbern Robert an den Flossen und zeigen uns Kunststücke unter Wasser, die selbst Hochleistungsturner in den Schatten stellen würden. Neben den Seelöwen entdecken wir viel buntes Leben unterhalb der Meeresoberfläche. Für den Moment vergessen wir vollkommen Zeit und Ort, lassen uns treiben von den Fischschwärmen, der farbintensiven Vielfalt des Meeres und den Strömungen des Wassers. Auf dem Rückweg kommen wir aus dem Staunen kaum noch heraus. Wir begegnen neben Delfinen, springenden Fischschwärmen und Rochen auch noch Buckelwalen, deren Anblicke uns dann nur noch mit einem ungläubigen Kopfschütteln und einem breiten Strahlen im Gesicht vom Boot steigen lassen.
Nach all diesen beeindruckenden Ereignissen entscheiden wir uns, die Chance zu greifen und einen Roadtrip mit dem Auto zur Laguna Bahia Magdalena zu unternehmen. In dieser ruhigen Bucht gebären von ca. Februar bis März weibliche Grauwale nach einer Tragzeit von 11-12 Monaten ihre „kleinen“ Grauwalbabys, die schon mit einer Größe von um die 4,5m und einem Gewicht von einer Tonne das Licht der Welt erblicken. Ein paar weitere Wochen bleiben sie mit ihren Kleinen in der Bucht, ehe Mutter und Kind ab März an der pazifischen Küste gen Oregon ziehen. Ausgewachsene Grauwalweibchen können bis an die 15m lang werden und übertreffen mit ihrer Größe die Männchen, die nur auf stolze 12m wachsen. Trotz der Gewaltigkeit tauchen die Urgesteine elegant durch das Wasser. Es sind erstaunliche Lebewesen. Einheimische fahren mit kleinen Booten zu den Grauwalen raus, die Mütter schubsen die Kleenen teils zu den Booten, um ihnen wohl die Angst zu nehmen, falls sie sich jemals in einem Netz verfangen und befreit werden müssen. Die Einheit von Mutter und Kind ist beeindruckend, ein einzigartiges Schauspiel läuft teils 1m vor unseren Augen ab. Oftmals synchron schwimmend, tauchen sie immer wieder nebeneinander oder hintereinander auf, spielen mit den Booten, tauchen hindurch, lassen Kopf und Schwanzflosse weit aus dem Wasser ragen. In der Ferne haben wir das große Glück, mehrere Sprünge aus dem Wasser hinaus erleben zu dürfen. Stunden könnten wir ihnen zu schauen und die Meeresriesen bewundern.
Diesen zahlreichen, wundervollen Eindrücken von der Unterwasserwelt nicht genug, begegnen Robert und Phillip bei einer Ausfahrt mit Packrafts (eine Art ultraleichtes und auf die Größe eines kleineren Rucksackes zusammenfaltbaren Schlauchbootes) nicht nur verspielten Seelöwen, sondern auch einer großen Gruppe von Delfinen. Nach einer spektakulären Verfolgungsjagt tauchen die intelligenten, ebenfalls verspielten Meeressäuger in nur 3m Entfernung hinter, neben und vor den beiden auf. Wer spielt hier mit wem, lautet hier die Frage. Es bleibt eine Erinnerung für die Ewigkeit.
Abseits des Meereslebens haben wir durch unsere gemeinsame Zeit mit Jorge und Frida die Gelegenheit, Mexiko und seine Einheimischen noch intensiver kennenzulernen. Viel lernen wir über die Kultur, die lateinamerikanischen Gemüter und die Zeit, die hier einem anderen Rhythmus folgt. Beobachtet man die Menschen auf der Straße, wird anhand der Körpersprache, der Mimik und dem Fortbewegungstempo deutlich, dass die europäische Hektik und der künstlich geschaffene Zeitdruck unserer Gesellschaft keine Beachtung findet. Verabredungen werden hingegen aber auch gern mal eine Stunde früher angesetzt, damit die Gäste zur eigentlich vorgesehen Uhrzeit erscheinen. eit spielt eine andere Rolle. Vor allem wird sie auch viel mehr der Familie gewidmet, oftmals wird das Wochenende gemeinsam mit der ganzen Bande verbracht. Nicht nur die Familienbanden sind stark. Auch die Drogenbanden gewinnen im zuvor sehr friedlichen La Paz seit einem Jahr vermehrt Aufmerksamkeit. Militär und Polizeipatrouillen in hoher Anzahl sowie Berichte aus den Nachrichten sind für die Einheimischen und uns aber der einzige Hinweis auf den Territoriumskonflikt, der hier ausgetragen wird. Betroffen sind bisher nur verfeinde Bandenmitglieder.
Die aktuellen Reisewarnungen und
die Geschehnisse führen uns nun in das Hochland Mexikos, fernab von der eigentlich
geplanten Route entlang der wunderschönen Pazifikküste Mexikos, denn dort
gewinnen die Bandenkriege wohl Oberhand.
Zunächst geht es für uns nun mit einiger Verzögerung, vielen Zusatzkilos, aber dafür grundlegenden Spanischkenntnissen auf das Festland. Dort wartet das Hochgebirge auf uns. Von Meeresspiegel werden wir uns auf knappe 2900m Höhe strampeln, härter als alle Etappen, die wir bisher in den Beinen haben. Doch die Landschaft soll für die Anstrengungen entschädigen und so freuen uns wir uns, nach knappen 3 Wochen wieder auf das Tandem zu steigen, uns erneut dem Rad- und Campingalltag zu widmen, viele neue Erlebnisse, Begegnungen, Erfahrungen zu sammeln und unsere Spanischkünste auszuprobieren. Trotz des mexikanischen Einflusses geraten wir in den nächsten zwei Monaten aufgrund unserer vielen kleinen Planänderungen etwas in Zeitbedrägnis, denn Mitte April erwarten wir Besuch aus der Heimat, auf den wir uns schon sehr freuen. Wir werden wahrscheinlich ein paar Kilometer auf ein anderes Transportmittel zurückgreifen müssen, um unseren Besuch rechtzeitig in Costa Rica in Empfang nehmen können.