Der letzte TEil unserer Reise - die Heimkehr
Herzlich und freudig wurden wir aufgenommen - von unserer Familie, von unseren Freunden, von unserem Verein, von Personen, die unsere Reise verfolgt haben, ohne dass wir es erahnten.
Wir sind wieder zu Hause. Wir haben wieder ein zu Hause.
Das Tandem steht noch verpackt im Karton in der Garage eines Freundes. Die Ausrüstung liegt unter unserem riesigen Bett und fängt langsam schon die ersten Staubkörner.
Mit der Reise sollten auch die Berichte enden, denn es fehlen neue Geschichten und eindrucksvolle Fotos anderer Länder, Kulturen und Gesichter.
Es wurde in den vergangenen Wochen jedoch mehrfach der Wunsch nach einem abschließenden Bericht über unsere Rückkehr geäußert, schließlich ist auch dies ein Teil der Reise. Da wir mit unseren Berichten nicht nur die Sehnsucht nach anderen Ländern und Kulturen wecken wollten, sondern vielleicht bei dem ein oder anderen den Mut wecken wollten, eine solche Chance zu ergreifen, schreiben wir nun auch über die Rückkehr. Denn der Neustart macht vielen Reisenden schon vor der Abfahrt Sorge.
Vor dem Hinflug nach Alaska standen grundlegende Fragen im Raum, die guter Überlegung bedurften, da sie sich auf die damals in weiter Ferne liegende Heimkehr auswirken würden. Wir waren uns nicht im Klaren, ob wir nach Köln oder in den Norden zurückkehren würden. Daher hatten wir uns schweren Herzens entschieden, unser Am-Himmel-Paradies (unsere alte Adresse lautete: Am Himmel 4) aufzugeben, die Möbel abzugeben und mit gewonnener Unabhängigkeit und Flexibilität zu starten. Diese Entscheidung erleichterte uns erheblich das vergangene Jahr, doch gestaltete es die Wiederkehr zeitintensiver und nervenaufreibender.
Über eineinhalb Jahre hatten wir die Reise geplant, vor Augen gehabt und uns darauf fokussiert. Während des Radelns haben wir von Tag zu Tag gelebt. Grobe Pläne schmiedeten wir stets. Doch gleich zu Beginn mussten wir uns der Erkenntnis hingeben, dass exaktere Pläne während einer Reise meistens eine starke Flexibilität erfordern und am Ende wenig davon übrig bleibt.
Schließlich wurde es aber Zeit, Ideen für „das Leben danach“ zu konkretisieren. Wieder und wieder fantasierten und grübelten wir auf dem Tandem, wie es nach der Panamericana für uns weiter gehen sollte, und vor allem wo. Fragen schwirrten in der Luft - wollen wir uns zeitlich ein Limit für den Trip setzen oder einfach das Radeln fortsetzen, bis das Ziel erreicht bzw. die Motivation erschöpft ist? Wollen wir erneute zwei Jahre in unsere berufliche Weiterentwicklung durch einen Master investieren, damit eben ein zeitliches Limit der Reise eingehen, oder reicht der Bachelor inklusive unserer vorherigen Berufserfahrung aus, um unsere Ideen für die Zukunft auszuleben und den Berufseinstieg zu wagen? Soll es wieder Köln, unsere liebgewonnene Zweitheimat sein, oder wollen wir langsam zurück in den Norden, wo unserer Wurzeln verwachsen sind, unsere Familien und Kindheitsfreunde warten? Unsere Generation verfügt über einen unglaublichen Raum an Entscheidungsfreiheit, manchmal kann dieser auch zur Bürde werden.
Nach einem Geflecht an Entscheidungen und Kompromissen endete unsere Reise am 13.09.15 mit der Landung in Frankfurt auf dem Weg nach Köln, um eine neue Wohnung zu finden und den Master an der Sporthochschule zu beginnen.
Mit unserer Rückkehr setzte sich das Abenteuer fort. Auf dem Trip gewonnene und verinnerlichte Erkenntnisse boten uns nun einen wichtigen Puffer: was im Rahmen der eigenen Möglichkeiten liegt, bedarf zwar manchmal etwas mehr Motivation, Kraft und Geduld, ist aber durchaus machbar. Auch nach Zweifeln und zeitweiser Aussichtslosigkeit folgt etwas - es geht immer irgendwie weiter. Doch eine Wohnung in Köln zu finden, in der kurzen Zeit, mit unserem begrenzten Budget, grenzte dann doch an dem Unmöglichen. So entdeckten wir Hürth für uns, nicht direkt Köln, aber beinahe ;), etwas erschwinglicher und eine gute Alternative zu dem überlaufenen, kostspieligen Wohnungsmarkt Kölns, hier sogar mit eigenem kleinen Garten. So wurden uns viele Sorgen gleich zu Beginn genommen. Wir hatten eine langfristige Bleibe gefunden.
Es ist ein wunderbares Gefühl, wieder einen eigenen Rückzugsort zu haben, etwas Beständiges, nicht jeden Tag den Ort zu wechseln, jede Nacht einen neuen Flecken für das Zelt zu suchen, einfach nach einem langen Tag in sein eigenes Reich Heim kehren zu können. Wir verfügen wieder über eine große Küche mit Tisch, Kühlschrank und Herd, ein eigenes, trockenes Bett, einen Kleiderschrank - mit mehr als nur zwei Sets Kleidung, fließend Wasser, Strom, eine warme Dusche – die Liste am Vermissten ist ausgiebig. Lange zählte all dies nicht zu unserem Alltag, nun war die Freude groß. Doch nach nur vier Wochen ist es schon wieder so selbstverständlich wie eh und je. Aber auch jetzt gibt es noch Momente, da stehe ich am Küchenfenster, blicke in den Garten auf mein eigenes Rad und verstaue die Milch mit einem riesigen Grinsen im Gesicht in den Kühlschrank.
Das Leben auf dem Rad, das Leben in der Natur, das Leben aus den Taschen, es ist vorbei, ebenso wie ein Leben mit der Freiheit des gesamten Tages, ein Leben ohne Zeitdruck, ein Leben ohne Leistungsdruck.
In den vergangenen Wochen wurden wir oft gefragt, ob wir uns eingelebt haben. Ob wir uns noch lieb haben. Ob uns der kulturelle Unterschied schwer fällt.
Eine Kunst auf der Reise war es, sich an die unterschiedlichsten Situationen und Orte anzupassen. Die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, die uns von den verschiedensten Ländern, Kulturen, Klimazonen und Situationen Tag für Tag abverlangt wurde, hilft uns nun auch bei der Heimkehr. Daher fällt sie uns leichter, als vielleicht erwartet. Die Momente, in denen wir uns nach all der Freiheit und Unabhängigkeit sehnen, werden sich wohl mit Einschleichen des Alltags häufen. Aber auch dann stehen wir wieder am Küchenfenster, lassen den Blick nach draußen schweifen und bemerken, was wir alles gewonnen haben.
Lieb haben wir uns auch nach der Reise in absoluter Zweisamkeit, sogar mehr als zuvor. Vieles haben wir aneinander schätzen und verfluchen gelernt, kennen den anderen besser als zuvor, teilen viele Erfahrungen, Eindrücke, Berg- und Talfahrten. Sicher gab es nicht nur gemeinsame Höhenflüge, wenn man 395 Tage kaum eine Minute in der Einsamkeit lebt. Aber wir sind gemeinsam gewachsen.
Die Freude über ein eigenes Fahrrad am ersten Tag war trotzdem groß.
Der kulturelle Unterschied ist deutlich, doch wurden wir von den Menschen hier überwältigt. Oftmals ist es wohl ein emotionaler Zwiespalt, nach so einer erfahrungsreichen, eindrucksvollen Reise zurückzukehren. Man freut sich auf zu Hause, auf die Menschen. Man gibt aber zunächst auch einen großen Teil der Unbeschwertheit auf. Doch darf man nicht außer Acht lassen, was man gewonnen hat. Vom ersten Moment in Deutschland an wurden wir aufgefangen. Wir wurden vom Flughafen abgeholt, warm empfangen. Es war schön, nach so langer Zeit, einem bekannten Gesicht zu begegnen, jemand, der auch uns kennt. Täglich sind wir auf neue Menschen getroffen, haben unsere Geschichte erzählt und uns ausgetauscht. Viele Bekanntschaften und einige Freundschaften haben wir auf der Reise gewonnen. Doch ein wichtiger Prozess im vergangenen Jahr war auch die Erkenntnis, wie sehr wir in Deutschland verwurzelt sind, wie sehr uns die Menschen fehlen, die Teil unseres Lebens sind, die uns kennen, die wir sehr schätzen. Schon am Flughafen und von allen weiteren Begegnungen des ersten Tages wurde uns ein großes Gefühl der Freude über die Heimkehr geschenkt. In den ersten Tagen und Nächten sind wir von Freunden aufgenommen worden, was uns einen wichtigen Anhaltspunkt und ein Zuhause gab. Freudig wurden wir von vielen in den folgenden Tagen und Wochen erwartet und so war es einfach schön, zurückzukehren.
Uns wurde in den letzten Wochen viel Unterstützung und Rückhalt zu teil, was uns den Start erheblich erleichtert hat. Die Herzlichkeit, der Zusammenhalt, die Selbstlosigkeit und das Miteinander der Menschen war eine der schönsten Erfahrungen in dem vergangenen Jahr.
Und nun wiederfährt uns all dies in unserer eigenen Heimat.
Ja, wir haben uns eingelebt, wir sind angekommen – den größten Teil dazu habt ihr beigetragen.